"Maquilas" und "freie
Produktionszonen" Erstmals ist die Idee von "Freien Produktionszonen" und
"Maquilas"1 anfangs der 60er Jahre in Mexiko
aufgetaucht und erlebt, dank liberalisierten Gesetzen, seit 1990
einen wahren Boom. Überall in Mittelamerika werden riesige
Fabrikgelände aus dem Boden gestampft, in denen zehntausende
neuer Arbeitsplätze entstehen. Das Konzept und die Idee dieser
sogenannten "Freien Produktionszonen" (eine Art
Industriepark) ist relativ einfach. Um die dringend benötigten
Devisen und Kapital ins Land zu "locken" und um die hohe
Arbeitslosigkeit zu bekämpfen, werden den ausländischen
Firmen und Investoren seitens der Regierungen sehr grosszügige
Zugeständnisse und Angebote gemacht. So sind diese Zonen
beispielsweise vom jeweiligen nationalen Territorium vollkommen
abgekoppelt und rechtlich nicht an geltende Gesetze gebunden. Sie
sind also sozusagen "autonome", kapitalistische
Produktionsoasen in einem fremden Land. Diese "Freien
Produktionszonen" sind von Steuern und Zöllen befreit und
bekommen vielfach von den jeweiligen Regierungen Infrastruktur,
Strassen, Hafenanlagen, Strom und Wasser zur Verfügung gestellt. Der Hauptanreiz für Investoren ihrerseits liegt, neben den
obengenannten Vorteilen, an der durch die hohe Arbeitslosigkeit
verursachten, Arbeitswilligkeit der Menschen und natürlich vor
allem an den tiefen, konkurrenzfähigen Lohnkosten in
Mittelamerika. Vor allem sind es Firmen aus den USA, Taiwan, Südkorea
und Hongkong, die in die "Freien Produktionszonen" und
"Maquilas" investieren und mit ihrer Produktion (meistens
Kleidung) den nahegelegenen, nordamerikanischen Markt beliefern. In
diese Zulieferbetriebe, in Mittelamerika eben "Maquilas"
genannt, werden vor allem arbeits- und zeitintensive Arbeitsvorgänge
verlagert, die in westlichen Ländern aufgrund des hohen
Lohnniveaus zu grosse Produktionskosten verursachen würden. In
Mexiko sind alleine 800'000, in der Dominikanischen Republik 180'000,
in Guatemala 175'000, in Honduras rund 90'000, in Costa Rica und El
Salvador je 50'000 und in Nicaragua und Panama gegen 20'000 Menschen
in den "Freien Produktionszonen" beschäftigt. Sämtliche Landesregierungen sind stark an einem weiteren
Ausbau der Zonen interessiert, da sie einerseits nicht selber in der
Lage sind, Arbeitsplätze zu schaffen und andererseits über
kein eigenes Kapital (mehr) verfügen oder dieses dann lieber in
Waffen und andere Schweinereien investieren. So werden die "Freien
Produktionszonen" und die "Maquilas" nach und nach in
ganz Mittelamerika zum Entwicklungsmodell schlechthin und zum totalen
Siegeszug für das neoliberale Wirtschaftssystem. Aber eigentlich
ist das ganze Konzept nicht besonders "revolutionär",
kannte mensch diese Produktions- und Ausbeutungsform in Europa auch
schon zur Zeit der Industrialisierung im frühen 19. Jahrhundert. In den "Maquilas" werden vor allem Frauen ausgebeutet Etwa 80 - 90% der Beschäftigten in den "Maquilas"
sind Frauen, meistens junge Mütter und vielfach alleinerziehend.
Die Arbeitsbedingungen in den Fabriken sind menschenunwürdig,
täglich 12 bis 14 Stunden Arbeit die Regel. Der Lohn ist
miserabel, in vielen Fabriken werden die ArbeiterInnen gegen
Krankheit, Arbeitsunfälle etc. nicht versichert. Sie werden
gezwungen, Tabletten gegen Schwangerschaft einzunehmen, geschlagen
und oft eingesperrt, bis das benötigte Tagessoll erreicht ist.
Wenn eine Frau schwanger ist, wird sie nicht selten an einen
Arbeitsplatz versetzt, wo höhere, körperliche Anstrengungen
erforderlich sind, damit sie von sich aus kündigt und die Firma
dadurch eine Abgangsentschädigung einspart. Manche versuchen
trotzdem durchzuhalten und erleiden häufig aufgrund der
Überlastung Fehlgeburten. Um die Kosten für die
dreimonatigen Schwangerschaftsferien zu sparen, werden sie oft auch
einfach unter einem billigen Vorwand entlassen. Vor allem für Frauen mit Kindern ist die Lage katastrophal.
Nach der schweren, körperlichen Arbeit in den "Maquilas"
warten zu Hause nicht selten die kleinen Nervensägen und der
noch zu erledigende Haushalt. Dazu müssen die alleinstehenden
Frauen tagsüber die Kinder bei Bekannten oder Nachbarinnen
unterbringen und besorgt sein, dass dies nicht allzuviel Geld kostet. Die alltäglichen Erniedrigungen und Demütigungen in den
Fabriken werden von den ArbeiterInnen zähneknirschend
hingenommen. In den meisten Fällen lassen sie sich lieber
ausbeuten und erniedrigen, als erwerbslos zu sein. Denn sie wissen
genau, dass vor den Fabriktoren andere warten, die sofort bereit
wären, ihren Platz einzunehmen. Und wer körperlich fit
genug und noch jung ist, bringt es in den "Maquilas" - mit
mehreren Überstunden pro Tag - auf ein Monatseinkommen von
200-250 Franken, was in der Regel sogar über dem
Landesdurchschnitt liegt. Der Grundlohn (ohne Überstunden,
Wochenendarbeit etc.) beträgt in den meisten "Maquilas"
etwa 70-100 Franken, was zum Sterben zu viel und zum Leben zu wenig
ist... Wer aufmuckt, fliegt raus! Wer sich trotzdem gegen diese Ausbeutung und die schlechte
Behandlung wehrt, aufmuckt oder gar auf die Idee kommt, sich
gewerkschaftlich zu organisieren, wird sofort auf die Strasse
gestellt. Zwar ist die gewerkschaftliche Organisation in
mittelamerikanischen Staaten gesetzlich nicht verboten und daher kein
eigentlicher Entlassungsgrund, die neoliberalen Regierungen
unternehmen aber nichts, um dieses Grundrecht gegenüber den
ausländischen Firmen durchzusetzen - zu gross ist die Angst,
dass diese in ein anderes Land abwandern könnten. Als z. B. in
El Salvador 1995 FabrikarbeiterInnen einer "Freien
Produktionszone" gegen die miesen Arbeitsbedingungen streikten,
entliess die Firmenleitung sämtliche 2'000 ArbeiterInnen und
verlagerte die Produktion kurzerhand nach Honduras! Die zuständigen
Regierungen sehen diesem Handeln tatenlos zu und den etablierten
Gewerkschaften sind in den meisten Fällen die Hände
gebunden, so dass sie bisher keine wirksame Strategie gegen die
"Maquilas" entwickeln konnten. Nicht selten fühlen
sich die betroffenen Frauen aber auch von den männerdominierten
Gewerkschaften und Linksparteien im Stich gelassen und haben das
Vertrauen in diese schon lange verloren. Ein kleiner Lichtblick ist die Tatsache, dass in den USA, nach
jahrelangen Aufklärungsarbeit von Menschenrechtsgruppen, seitens
der KonsumentInnen unterdessen eine gewisse Sensibilität
vorhanden ist und in der letzten Zeit ein Umdenken stattgefunden hat.
So haben VerbraucherInnenorganisationen die grossen
US-Textilhandelsketten aufgefordert dafür zu sorgen, dass "ihre"
Produkte unter menschlichen Arbeitsbedingungen hergestellt werden.
Ein paar grosse US-Firmen haben massive Gewinneinbussen erlitten, als
bekannt wurde, dass in ihren Fabriken Kinder beschäftigt wurden.
Einige der betroffenen Firmen haben unterdessen ein Ethikpapier
unterschrieben, in dem sie sich bereit erklären, die minimalsten
Anforderungen zu erfüllen und die ArbeiterInnen fairer zu
behandeln. Ob sie sich wirklich daran halten werden, wird die Zukunft
zeigen. Michi 1 Maquilas; Zulieferbetrieb: Der Begriff kommt von
"maquilar" (span.), was "Mahlgeld abliefern"
bedeutet und von daher kommt, dass der Müller vom Bauern für
die Benutzung der Mühle jeweils ein Teil des Mehls bekam. Zurück zur Hauptseite vom karnikl oder des KulturZentrums Bremgarten KuZeB
Neoliberales Erfolgsrezept oder doch
eher moderne Sklaverei?
© 1997, 2019 Copyright beim Verein KulturZentrum Bremgarten KuZeB some rights reserved (Creative Commons BY-SA). Geändert am 31. Mai 2009. Erstellt von Kire.